Ein Beitrag aus Band 1 der gelben Zeitzeugen-des-Alltags-Buchreihe von Jürgen Ruszkowski
Weltweit unterwegs als Reedereiinspektor
H. kam 1945 als erstes von neun Kindern in Vorarlberg in Österreich zur Welt. Er wuchs im ländlichen Bereich in der Nähe von Bregenz auf. Der Vater war Kraftfahrzeugmechaniker. Nach dem Schulabschluss mit der Mittleren Reife erlernte H. den Beruf des Vaters und war anschließend noch eineinhalb Jahre als Geselle tätig. Die Eltern hatten ein Haus gebaut. Bei der Größe der Familie wurde jeder Schilling gebraucht. So vermietete man Zimmer mit Frühstück an Urlauber, unter anderem auch einmal an eine Reederfamilie aus Hamburg-Blankenese. Das war seine erste Begegnung mit der Seefahrt. H. war zwanzig Jahre alt, als er sich 1965 eines Tages ohne Wissen der Eltern eine Fahrkarte nach Hamburg kaufte: einfach, ohne Rückfahrtbuchung. „Mir war es zu Hause zu eng geworden.“ Morgens um neun klingelte er bei der verdutzten Reederfamilie in Blankenese und erzählte, er wolle zur See fahren.
Tatsächlich besorgten die ihm ein Schiff: ein 424er Kümo (700 Ladetonnen) mit Namen „ELISABETH BRÖKER“. Acht Monate fuhr er zur Winterzeit als Decksjunge über Nord- und Ostsee und erlebte die See von ihrer rauen Seite: „Sechs Wochen lang war ich seekrank, dann hatte ich es endlich überwunden. Um uns herum soffen im Sturm vier kleinere Schiffe ab. Wir kamen noch mit Mühe und Not heil bis Brunsbüttel durch.“ Der Anfang seines Seemannslebens war hart, aber „zu kapitulieren, ließ mein Stolz nicht zu!“ Nach diesen ersten acht Monaten machte er zu Hause Urlaub und kaufte sich danach wieder eine Fahrkarte nach Hamburg. Bei „Max“ im „Heuerstall“ im „weißen Haus“ (Hamburger Seemannshaus, jetzt „Hotel Hafen Hamburg“) bekam er als Decksmann sein zweites Schiff, MS „CASTOR“ von der Neptun-Reederei in Bremen. Es fuhr in der Mittleren Fahrt von Bremen bzw. Hamburg zum Mittelmeer. Nach einem Jahr veranlasste der Kapitän die Reederei, ihn zur Matrosenprüfung in Bremen anzumelden. Das lief damals noch alles sehr pragmatisch: einen Feuerschutz-Sicherheits-Schein brauchte er noch nicht. Man musste sich auf Spleißen und Knoten verstehen und Fragen aus der Bordpraxis beantworten können. Mit 22 Jahren hatte er dann also den Matrosenbrief und fuhr anschließend zwei Jahre lang auf MS „ELSFLETHERSAND“ in Trampfahrt nach Süd- und Nordamerika. „Erst jetzt wurde ich darüber aufgeklärt, was ich mit meinem Beruf als Kraftfahrzeugmechaniker in der Seefahrt machen konnte und dass für mich die Verdienstchancen in der Maschine bedeutend besser waren. Bei der Seefahrtsschule Bremen besorgte ich mir einen Assi-Schein und fuhr fortan als Maschinenassistent.“ Man musste 24 Monate Fahrzeit als Assi und ein halbes Jahr Werftzeit nachweisen, um zur Ingenieurschule gehen zu können. Bei Reederei Meyer-Brake fuhr er dann vier Jahre lang als Maschinenassi, nicht nur, um die Zeiten nachweisen zu können, sondern auch, um das nötige Geld für die Studienzeit zu ersparen. Sein Chief von der „BORKUMERSAND“ meinte dann, nun sei es an der Zeit, sich um einen Studienplatz zu kümmern, weitere Fahrzeit als Assi sei Zeitvergeudung. „Am billigsten war ein Studium damals in Cuxhaven. Da bekam man für 80,- bis 110,- DM Miete ein Zimmer.“ Im Jahre 1969 erwarb er nach sechs Monaten Schulzeit das Patent C 3, das dazu berechtigte, Schiffsmaschinen bis zu 1.400 PS zu fahren. „Wir wurden direkt von der Schule aus abgeworben.“ Beim Schifffahrtskontor Hemmor fuhr er ein knappes Jahr auf MS „Catriona“, einem Holzfahrer, zwischen Finnland, Schweden und Frankreich. Dann erwarb er, ebenfalls in Cuxhaven, in drei Monaten das Patent C 4.
„Ein halbes Jahr fuhr ich danach bei einem „Appelbauern“, dann kam die Umstellung der Patente und meines wurde auf CMA umgeschrieben. Damals durfte ich damit Maschinen bis 2.000 PS fahren, heute gilt es wohl bis 5.000 PS. Uns Alt-Patentinhabern wurde nach der Einführung der Fachhochschulen der Durchstieg zu höheren Patenten mit abgekürzten Ausbildungszeiten ermöglicht.“ Ab 1973 studierte H. noch drei Semester in Flensburg, ein Semester zur Erlangung der Fachhochschulreife und zwei Semester Schiffsbetriebstechnik zum Erwerb des Patentes CTW. Nach einem Jahr Fahrzeit, als er das Patent „ausgefahren“ hatte, fuhr er dann ab 1974 - nach entsprechendem Antrag beim Bundesverkehrsministerium - nur noch als Leitender Ingenieur. Von 1976 bis 1983 war er bei einer Hamburger Reederei zunächst auf 999er Schiffen, später auf einem größeren Schiff Chief und zwischendurch auch schon mal im Reedereibüro als Inspektor tätig. Dann folgten acht Monate auf einem französisch gemanagten 4.000 BRT-RoRo-Schiff. Seit etwa acht Jahren ist er bei einer namhaften deutschen Reederei tätig, zunächst als Chief auf weltweit fahrenden größeren Schiffen, seit etwa einem Jahr als Reedereiinspektor.
„1984 hatte ich ein besonderes Erlebnis: Ich übernahm in Osaka in Japan ein gebraucht gekauftes Schiff in der Werft und führte die Reparatur-Bauaufsicht. Eine Woche vor Fertigstellung kam der deutsche Kapitän, drei Tage vor Auslaufen die philippinische Crew. Wir waren 20 Mann Besatzung. Über Hongkong bis Singapur hatten wir Ladung genommen und sollten von da direkt nach Beirut zum Löschen. Unser Kapitän war vorher Nautischer Offizier auf einem bekannten deutschen Kreuzfahrtschiff gewesen und gewohnt, mal eben vor idyllischen Inseln zum Baden die Anker zu werfen. So meinte er, sich und seiner Besatzung eine schöne Abwechslung gönnen zu sollen und ließ, als wir vor Indien die vorgelagerten Inseln passierten, die Maschinen stoppen. Zum Ankern war die See zu tief.
Trotzdem ließ er das Rettungsboot zu Wasser bringen und den 1. Offizier mit einigen Mann zur Insel aufbrechen. Außer seinem Funkgerät gab er den Leuten einige Stangen Zigaretten mit, die sie gegen Kokosnüsse und andere Dinge eintauschen sollten. Es war, wie sich später herausstellte, eine Urlaubsinsel für wohlhabende Inder. Der Strand wimmelte vor Polizei und man winkte unseren Leuten schon von weitem zu, sie sollten umdrehen, was aber nicht weiter beachtet wurde. In der starken Brandung schlug das Boot an der steinigen Küste leck. Die indische Polizei umstellte das Boot und verlangte über Funk vom Kapitän, eine Mannschaftsliste aufzustellen. Der weigerte sich. Der 1. Offizier, der 2. Ingenieur und ein Matrose wurden in Gewahrsam genommen, die anderen Leute in dem schon halb mit Wasser gefüllten Boot zum Schiff zurückgeschickt. Dann kam die Polizei mit Militärbedeckung zum Schiff. Die Lage spitze sich mehr und mehr zu. Vier Tage dampften wir vor der Insel auf und ab. Die drei Festgehaltenen kamen auf dem Festland in den Knast und sollten von dort abgeholt werden. Trotz schriftlicher Zusage gab der Kapitän dann Anweisung zur Weiterfahrt des Schiffes. Unsere drei Leute blieben zurück, mussten fünfeinhalb Monate Haftstrafe verbüßen und wurden dann auf Kosten der Reederei, die auch die Heuern weiterzahlen musste, nach den Philippinen abgeschoben. Wir hatten fünf kostbare Tage verloren, die nicht aufgeholt werden konnten. Der Charterer verlangte für den Zeitverlust vom Reeder 60.000,- $ Schadensersatz. Der Reederei gegenüber behauptete der Kapitän, ohne dass ich das geahnt hatte, wegen eines Maschinenschadens gestoppt zu haben. Als man mich nach dem Schaden befragte und ich berichten musste, dass von einer Maschinenhavarie keine Rede sein könne, war der Teufel los. Unser Kapitän verschwand von der Bildfläche und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.“
Als Reedereiinspektor hat H. ein gutes Dutzend ausgeflaggter Schiffe im nautischen und vor allem technischen Bereich zu betreuen: Beschaffung der erforderlichen Zertifikate und sonstigen Papiere, Überwachung der Betriebsbereitschaft und Sicherheit der Schiffe und ihrer technischen Anlagen, Planung der notwendigen Reparaturen, Belieferung mit Ersatzteilen, Werkzeugen und Materialien, Einsatz von Reparaturfirmen und Monteuren. Schadensfälle sind mit den Versicherungen abzuklären. Die Reeder haben für die Schiffe in der Regel eine Art Kaskoversicherung abgeschlossen, meistens mit einem Selbstbehalt von 50.000,- DM. Die Schiffe werden überwiegend von deutschen oder polnischen Kapitänen geführt. Die Leitenden Ingenieure sind meistens Polen. Die anderen nautischen und technischen Offiziere und die Mannschaften kommen in der Regel von den Philippinen oder auch aus Burma oder Vietnam. Ob er denn aus seinen Erfahrungen einen qualitätsmäßigen Unterschied zwischen deutschen und diesen „billigeren“ Besatzungen feststellen könne? „Es gibt auf beiden Seiten gute und schlechte Leute.“ Er habe aber den Eindruck, dass etwa die Asiaten alles nur auf Anweisung machen. „Man denkt nicht so mit, wie ich es bei deutschen Kollegen gewohnt bin.“ Bei den Polen gebe es viele „Klarfahrer“: „Man lässt andere machen, hält sich selber draußen. Den Mist hat immer ein anderer gebaut.“ Und dann gebe es da die „kleinen Mauscheleien“. Es sei eben viel Kontrolle nötig und öfter mal ein Machtwort. „Ich habe neulich meinem Personalchef gesagt: „Sparen Sie nicht am falschen Ende. Was nützt es, wenn wir bei verantwortlichen Leuten an der Heuer sparen und dann 200.000,- DM für Reparaturen ausgeben müssen, die bei einem guten Mann nicht angefallen wären.“ Ärger, ja den gebe es. Deshalb könne man bei den Inspektoren öfter auch eine große Fluktuation beobachten. Aber er nehme den Ärger nicht persönlich und wisse meistens, gelassen zu bleiben. „Man darf nicht alles auf die Goldwaage legen.“ Sein Job kennt keinen geregelten Feierabend und fordert von ihm viel Beweglichkeit. „Meinen Koffer habe ich immer gepackt. Ganz plötzlich heißt es: „Sie müssen mal eben nach Rotterdam fliegen oder nach Istanbul oder Genua oder Mauritius oder Singapur.“ Aus den geplanten drei Tagen werden dann auch mal drei Wochen.“
Ob er Hobbys habe? „Dafür habe ich keine Zeit. Mal abends zur Entspannung etwas Fernsehen.“ Mit der Ehe habe er schlechte Erfahrungen gemacht. Kein Wunder bei der Belastung durch den mobilen Seemannsberuf. Acht Jahre war er verheiratet. Seit einem Dutzend Jahre lebt er wieder alleine. Wenn er in Hamburg ist, wohnt er im Seemannsheim am Krayenkamp. „Eine eigene Wohnung lohnt sich nicht, wenn ich im Jahr mehrere Monate unterwegs bin.“
amüsant und spannend wird über das Leben an Bord vom Moses bis zum Matrosen vor dem Mast in den 1950/60er Jahren, als Nautiker hinter dem Mast in den 1970/90er Jahren berichtet
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