1945 Flucht aus Zoldekow / Hinterpommern

Wir zahlten für Hitlers Hybris

Zeitzeugenberichte vom Kriegsende 1945

Flucht per Treck aus Zoldekow

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Maikäfer flieg. Dein Vater ist im Krieg. Die Mutter ist im Pommerland, Pommerland ist abgebrannt. Maikäfer flieg.

Ein Beitrag der gelben Buchreihe "Zeitzeugen-des-Alltags" von Jürgen Ruszkowski

 - Band 15 - bei amazon

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  Band 15 - Band 15

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  herausgegeben von Jürgen Ruszkowski,   Nagelshof 25,  D-22559 Hamburg Rissen

 Eigendrucke des Heraugebers vergriffen

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Band 15 in der Buchreihe „Zeitzeugen des Alltags“

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Свидетели 1945

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Zeitzeugenberichte vom Kriegsende 1945

Nach 60 Jahren unvergessen

herausgegeben von Jürgen Ruszkowski

Wir zahlten für Hitlers Hybris

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Die unter 65jährigen Deutschen kennen Krieg und Kriegsende nicht mehr aus eigenem Erleben. Doch traumatische Kindheits- und Jugenderinnerungen werden viele über 70jährige „wohl bis ans Lebensende verfolgen“. Als Zeitzeugen haben sie den jüngeren Generationen zu übermitteln, was Krieg und Hass zwischen den Völkern an zerstörerischen Kräften bis in das Einzelschicksal hinein bewirken.

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Prolog zum Thema Kriegsende 1945

Im Frühjahr 1945 kam der von Hitler angezettelte böse Krieg an sein bitteres Ende und brachte das Elend, das man vorher anderen Völkern bereitet hatte, mit aller Gewalt über die Deutschen. Die Rache der Sieger war schrecklich.

Nicht nur bei den Russen hatte die beim deutschen Rückzug betriebene Taktik „Verbrannte Erde“ Wut und Rache den Deutschen gegenüber ausgelöst. Die Deutschen hatten ab 1941 die russischen Kriegsgefangenen als „Untermenschen” zu Zehntausenden verrecken lassen. Von Stalingrad bis an den Bug waren die Rotarmisten über die Leichen ihrer russischen Brüder hinweggeschritten. - Auch die Polen rächten sich in den ihnen 1945 als Ersatz für die im Osten nach dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 von der Sowjetunion einverleibten Landesteile nun zugeteilten deutschen Ostgebieten an den Deutschen, was ihnen die Deutschen seit 1939 angetan hatten. Himmler am 22. August 1939: „Polen wird von der Landkarte der Nationen verschwinden. Was im rückwärtigen Heeresgebiet passiert, wird vermutlich nicht die Zustimmung der Generalität finden. Deshalb soll die Armee nicht an der Liquidierung der polnischen Berufssoldaten und der Juden beteiligt werden. Dies wird Aufgabe der SS sein...” Die SS habe ... grundsätzliche Aufgaben zu erfüllen: Sie hat sicherzustellen, dass Polen niemals wieder aufersteht. Deshalb muss der polnische Adel, die polnische Intelligenz vom Lehrer bis zum Wissenschaftler ausgerottet werden. Zugleich sollten die Polen auf den Stand von Heloten, von Untermenschen zurückgeführt werden. Sie hat sofort Vorausmaßnahmen gegen die drei Millionen polnischen Juden zu ergreifen.(André Brissaud: „Canaris“) „Nach Himmlers, Bormanns und Greisers Plänen sollten nur diejenigen Polen im Warthegau und polnischen Generalgouvernement bleiben dürfen, die untergeordnete Arbeit verrichteten. Sie sollten ohne Schulbildung bleiben und als Menschen zweiter Klasse beachtet und behandelt werden. Und so war es geschehen... Die Austreibung der Polen war in der ersten Zeit brutal gewesen, rücksichtslos, überstürzt, ohne Bedacht auf Menschlichkeit und Menschenleben; durchgeführt oder geleitet von landesfremden SS-Kommandos...“ (Jürgen Thorwald: “Die große Flucht”). Kein Wunder, dass in Russen, Polen und Tschechen bei Kriegsende ein ungehemmter Revanchismus den Deutschen gegenüber wütete. Verbrechen wurden also auf beiden Seiten verübt. - Aber nicht nur die Schuldigen zahlten!

Das Drama hatte bereits 1914 mit der Entfesselung eines industrialisierten Krieges im romantisch-pubertären Rausch eines halbstarken Männlichkeitswahns begonnen. Der Zweite Weltkrieg wird von vielen Historikern als Fortsetzung des Krieges von 1914/18 angesehen. Das „Friedensdiktat“ von Versailles legte den Keim zum zweiten Teil des Weltkrieges mit seinen noch weitaus dramatischeren Folgen für Deutschland. Das aus Versailles resultierende wirtschaftliche und parteipolitische Chaos im Deutschland von Weimar führte dazu, dass die Partei des Adolf Hitler an die Macht kam, die diese durch demokratische Wahl errungene Macht dann skrupellos missbrauchte und das deutsche Volk nach anfänglichem Siegesglanz in große moralische Schuld und in die bitterste Not seit dem 30jährigen Krieg führte.

Der von Sozialisten und Liberalen als Erzreaktionär gesehne Reichsgründer Otto von Bismarck war durchaus kein Friedensengel und auch kein Freund der Polen. Er scheute vor Kriegen nicht zurück, war jedoch zu einem klugen und vorsichtigen Außenpolitiker geworden, der immer vor Zweifrontenkriegen gewarnt und Deutschlands empfindliche Lage zwischen den anderen europäischen Großmächten realistisch einkalkuliert und ausbalanciert hatte. Das Deutsche Reich hatte unter seiner Kanzlerschaft die größte Ausdehnung erreicht, die große Landesteile mit polnisch-deutscher, französisch-deutscher und dänisch-deutscher Mischbevölkerung umfasste. Alle diese Gebiete verlor das Deutsche Reich nach dem missglückten Abenteuer des Ersten Weltkrieges. Die Verluste an Menschen, die Kriegszerstörungen, die deutschen Gebietsverluste und die Nachkriegsnot nach 1918 waren bitter, jedoch gegenüber denen nach 1945 von weitaus geringerem Umfang.

Christian Graf von Krockow zitiert in seiner Bismarck-Biographie den französischen Publizisten Ernest Friedrich Strauß. Bereits bei der Annexion des ursprünglich deutschvölkischen Elsass-Lothringen nach dem Sieg der Deutschen über Frankreich von 1871 habe dieser die Deutschen gewarnt: „...diese Politik wird euch zum Verhängnis werden. Die vergleichende Philosophie, die ihr geschaffen und zu Unrecht auf das Feld der Politik übertragen habt, wird euch übel mitspielen. Die Slawen werden sich dafür begeistern; ... wie könnt ihr glauben, die Slawen würden euch nicht zufügen, was ihr andern antut? ... Wenn eines Tages die Slawen Anspruch auf das eigentliche Preußen, auf Pommern, Schlesien und Berlin erheben werden, und zwar deswegen, weil alle diese Namen slawischen Ursprungs sind, wenn sie an Elbe und Oder das tun, was ihr an der Mosel getan habt, wenn sie auf der Karte den Finger auf die wendischen und obotritischen Dörfer legen, was werdet ihr dann zu sagen haben? Nation ist nicht gleich Rasse.“

Die Nationalsozialisten waren nicht zufrieden mit ihren Erfolgen bei der Korrektur der schlimmsten Auswirkungen des Friedensdiktats von Versailles. Hitlers Gier nach „Lebensraum“ im Osten, sein Rassenwahn und seine Herrenmenschenideologie führten das deutsche Volk ins Verderben. Wie schnell waren seine Ängste vom „Volk ohne Raum“ nach wenigen Jahrzehnten überlebt. Heute ist das viel kleinere Deutschland eher ein Raum ohne Volk, in dem die durch eine Hormonpille hervorgerufene ungesunde Bevölkerungsstruktur nur durch Einwanderung von außen zu lösen zu sein scheint.

Viele waren dem Rattenfänger aus Braunau auf den Leim gegangen und seinen teuflischen Parolen blind gefolgt, waren zu seinen „willigen Vollstreckern“ geworden. Doch Gottes Mühlen mahlten – langsam, aber sicher. Wie heißt es doch schon im 73. Psalm des alten Buches der Juden und Christen, das unsere europäische Kultur so wesentlich prägte?: „...ihr Herz quillt über von bösen Plänen, ihre Reden sind voll Spott und Verleumdung, sie machen große Worte, um die Leute einzuschüchtern, ihr aufgerissenes Maul reicht an den Himmel, ihre böse Zunge schleift über die Erde. Darum laufen ihnen die Leute nach und können nicht genug bekommen von ihrem Geschwätz... Über Gottes Gebote setzen sie sich hinweg. Sie häufen Macht und Reichtum, und keiner hindert sie... Ich mühte mich ab, das alles zu verstehen, aber es war mir zu schwer... Da erkannte ich, wie es mit ihnen ausgeht: Du stellst sie auf schlüpfrigen Boden; Du verblendest sie, damit sie stürzen. Ganz plötzlich ist es mit ihnen aus. Sie nehmen ein Ende mit Schrecken.“

Von Anfang der Nazi-Diktatur an gab es aber auch in Deutschland weitsichtige kritische Geister, die das chaotische Ende der Abenteuer eines Adolf Hitler voraussahen. General Beck war deren einer. Er meinte 1937 gegenüber Admiral Canaris: „Der Bann, den Hitler auf das deutsche Volk ausübt, müsste gebrochen werden.“ Canaris entgegnete: „Das ist leichter gesagt als getan... Die öffentliche Meinung ist mit überwältigender Mehrheit auf der Seite Hitlers. Wie kann man dem deutschen Volk, das vom Frieden beseelt ist, klarmachen, dass die Pläne Hitlers das deutsche Volk auf die Schlachtbank führen? ... Da bleibt also, so werden Sie mir sagen, noch die Wehrmacht. Ich bin skeptisch.“ 1938 äußerte General Beck: „Es stehen hier letzte Entscheidungen über den Bestand der Nation auf dem Spiel. Die Geschichte wird diese Führer [der Wehrmacht] mit einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht nach ihrem fachlichen und staatspolitischen Wissen und Gewissen handeln. Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Wissen, ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls verbietet. Finden die militärischen Führer aber kein Gehör für ihre Warnungen und Ratschläge, dann haben sie vor dem Volk und vor der Geschichte das Recht und die Pflicht, von ihren Ämtern zurückzutreten. Tun sie das geschlossen, so ist ein Krieg unmöglich, und das Vaterland ist vor dem Untergang bewahrt...“ Hans Oster 1938 über die militärischen Führer: „Sie sind unbelehrbar! Nur um „Emil“ (Hitler) gegenüber nicht ungehorsam zu sein, lassen sie sich auf die Schlachtbank führen und sind, soweit notwendig, bereit, Millionen junger Deutscher, das ganze deutsche Volk, mit in dieses Blutbad hineinzuziehen.“ (André Brissaud: „Canaris“) - Wer sich offen gegen die Nazis äußerte, wurde sofort kaltgestellt. „In einer Diktatur ist ein aktiver Widerstand nur durch solche Leute möglich, die den Anschein erwecken, Anhänger dieses Systems zu sein.“ (Heisenberg) Es gab auch immer wieder konkrete Bemühungen bestimmter militärischer Kreise, diesen Hitler zu beseitigen, bevor er Deutschland in das von ihnen schon früh befürchtete Chaos stürzen würde. Männer, wie der Major und spätere General Hans Oster, Hans von Dohnanyi, Dietrich Bonhoeffer, die unter dem Schutz des Admirals Wilhelm Canaris in der von ihm befehligten militärischen Abwehrzentrale gegen Hitler arbeiteten, hatten längst vor dem 20. Juli 1944 versucht, Hitler durch ein Attentat zu entmachten, dem zermalmenden „Rad in die Speichen zu fallen“, aber alle ihre Bemühungen scheiterten immer wieder. So sollte dieser verbrecherische Diktator und sein Gefolge das teuflische Werk der Zerstörung über ganz Europa bis zum bitteren Ende fortführen, bis – wie man immer wieder gesungen hatte - „alles in Scherben“ fiel.

Hitlers Größenwahn und Hybris bezahlten die Völker Europas, insbesondere die Angehörigen des deutschen Volkes selber, mit persönlichen, teils verheerenden Schicksalsschlägen, die bei nicht wenigen für Jahre und Jahrzehnte traumatische Schäden in ihrer Seele hinterließen. Die Schrecken, die die Deutschen über andere Völker gebracht hatten, kamen mit alttestamentarischer Rache auf sie zurück: „Siehe, sie halten des Herren Wort für einen Spott und wollen es nicht... Siehe, ich will ein Unglück über dies Volk bringen, ihren verdienten Lohn, darum, dass sie auf meine Worte nicht achten und mein Gesetz verwerfen... Ihre Häuser sollen den Fremden zuteil werden, samt den Äckern und Weibern... Siehe, es wird ein Volk kommen von Mitternacht und ein großes Volk wird sich erregen vom Ende der Erde, die Bogen und Lanze führen. Es ist grausam und ohne Barmherzigkeit; sie brausen daher, wie ein ungestümes Meer und reiten auf Rossen, gerüstet wie Kriegsleute, wider dich. Wenn wir von ihnen hören werden, so werden uns die Fäuste sinken, es wird uns angst und weh werden.“ (Jeremia 6) „Gott lässt keinen Spott mit sich treiben. Jeder wird ernten, was er gesät hat.“ (Galater 6,7) „Ihr werdet mit dem selben Maß gemessen werden, das ihr bei anderen anlegt.“ (Lukas 6,38) - Die Hybris, der Übermut gegenüber dem Schicksal, galt bei den alten Griechen als strafwürdig. Wer im Übermut und Maßlosigkeit die Grenzen für Maß und Harmonie überschritt, zog sich den Zorn der olympischen Götter zu.

Hitlers aggressiver verbrecherischer Rassen- und Größenwahn mit seiner Annexion der Tschechoslowakei und den Überfällen 1939 auf Polen und 1941 auf die Sowjetunion, führte endlich zum Verlust großer, seit etwa dem 11. Jahrhundert von Deutschen besiedelter, kultivierter und kulturell geprägter Gebiete östlich von Oder und Neiße und zur brutalen Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus jenen Gebieten. Die deutsche Zivilbevölkerung in den zerbombten Großstädten und den östlichen Provinzen musste die Suppe auslöffeln, die die nationalsozialistische Führung dem deutschen Volk eingebrockt hatte.

In den letzten Kriegsmonaten flüchteten mehr als 16 Millionen Menschen allein aus Ostpreußen, aus Danzig, Memel- und Sudetenland, Schlesien, Pommern sowie anderen Gegenden, in denen seit Generationen Deutsche gelebt hatten (http://www.hjanzen.de).

Durch die Flucht, durch Misshandlungen, Hunger, Kälte und Erschöpfung oder Erschießen kamen geschätzt 2,5 Mio. Deutsche ums Leben. 3 Mio. Frauen wurden vergewaltigt (http://www.hjanzen.de). Nicht nur Soldaten kamen in Kriegsgefangenschaft, auch Zivilisten wurden zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert, so, wie die Nazis zuvor die polnischen, ukrainischen und russischen „Ostarbeiter“ nach Deutschland geholt hatten:

„Die seit geraumer Zeit geplante Verschleppung der deutschen Zivilpersonen begann im Monat Februar 1945; in geringerem Umfang jedoch auch schon Ende Januar. Im März 1945 erreichte die Verschleppung ihren Höhepunkt. In der Regel wurden alle Männer bis zu 60 Jahren erfasst. Dort, wo es nur wenig Menschen gab, wurden auch Frauen verschleppt. Die Verschleppungslager, die von den einzelnen sowjetischen Heeresgruppen eingerichtet wurden, waren Stätten furchtbaren Grauens. Ohne Verpflegung, auf tagelangen Fußmärschen bei bitterer Kälte, wurden die Kolonnen der Zwangsarbeiter zusammengetrieben. Infolge Hunger und Krankheit starben in den Lagern Tausende. In regelmäßigen Abständen fuhren die Verschleppungszüge ab, die durchschnittlich je 2.000 Menschen, zusammengepfercht in wenigen Waggons, auf drei- bis sechswöchigen Fahrten bis an das Eismeer, in den Kaukasus, nach Turkmenien, vorwiegend in den Ural und das Donez- und Dongebiet führten. Die Sterblichkeitsziffern auf den Transporten lag vielfach bei 10 %. Es wurden insgesamt 350.000 Ostdeutsche verschleppt, von denen bis 125.000 bereits in den Lagern und schließlich auf den Transporten verstarben.“ (Dr. H. E. Jahn: „Pommersche Passion“, Ernst Gerdes Verlag 1964)

Vom Deutschen Reich wurden nach dem zweiten Weltkrieg mehr als 114.000 Quadratkilometer Land annektiert und in polnische und sowjetische Verwaltung übergeben, die deutsche Bevölkerung nach Westen vertrieben, soweit sie nicht hatte flüchten können. Jahrhundertlange deutsche Siedlungsgebiete auf tschechischem oder urpolnischem Gebiet wurden ethnisch gesäubert.

Die sowjetischen Truppen gingen in den frisch eroberten Gebieten brutal und ohne Rücksicht auf die deutsche Zivilbevölkerung vor. Mag. Rolf-Josef Eibicht: „Es zeigte sich auch bald, dass sich hier nicht die Mordgesinnung einzelner Truppenteile ausgetobt hatte, sondern dass hier grausame Verbrechen mit Wissen und Willen der sowjetischen politischen und militärischen Führung begangen worden waren. Bei den in den Kämpfen gefallenen sowjetischen Soldaten fand man blassbläuliche Handzettel in der Größe etwa eines Briefumschlags, die einen Aufruf des kommunistischen Schriftstellers Ilja Ehrenburg mit folgendem Text enthielten: »Tötet, tötet! Es gibt nichts, was an den Deutschen unschuldig ist, die Lebenden nicht und die Ungeborenen nicht! Folgt der Weisung des Genossen Stalin und zerstampft für immer das faschistische Tier in seiner Höhle. Brecht mit Gewalt den Rassenhochmut der germanischen Frauen. Nehmt sie als rechtmäßige Beute. Tötet, ihr tapferen, vorwärtsstürmenden Rotarmisten!«“

„Viele Flüchtlinge aus Ost- und Westpreußen haben sich durch die relativ friedlichen Verhältnisse, die in Danzig und Pommern noch während des Februar 1945 herrschten, verleiten lassen, in diesen Gebieten zu bleiben. Noch mehr gilt das für die einheimische Bevölkerung, von der nur sehr geringe Teile die noch bestehenden Verbindungen nach dem Westen benutzten, um mit der Bahn, zu Schiff oder im Treck in die Gebiete westlich der Oder zu gelangen. Erschwerend wirkte in dieser Beziehung, dass für ganz Pommern und das nördliche Westpreußen die Flucht der Bevölkerung von den Parteibehörden ausdrücklich verboten und teilweise sogar den aus dem Osten kommenden Trecks die Weiterfahrt in Pommern untersagt wurde. Infolgedessen hatte Anfang März, als der russische Großangriff auf Ostpommern und Danzig begann, die Bevölkerung dieser Gebiete keineswegs abgenommen, sondern war durch den Zuzug von Flüchtlingen noch um einige Hunderttausende vermehrt worden. Noch mindestens 2.5 Millionen Deutsche, davon über 25 Prozent Flüchtlinge, befanden sich im nördlichen Teil Westpreußens, im Raum um Danzig und in Ostpommern, und nur ein geringer Teil von ihnen vermochte nach Beginn des russischen Angriffs in den ersten Märztagen nach Westen über die Oder zu gelangen. Insgesamt lebten in Ostpommern und im Reichsgau Danzig-Westpreußen über 3 Millionen Deutsche, davon rund 900.000 in den Gebieten, die bis Ende Januar 1945 von russischen Truppen besetzt waren. Rechnet man, dass ca. 2-300.000 Flüchtlinge aus Ostpreußen, dem östlichen und südlichen Teil Westpreußens, dem Warthegau und den südlichen Kreisen Pommerns sich in dem während des Monats Februar noch unbesetzten Gebiet um Danzig und in Ostpommern aufhielten, so ergibt sich die Zahl von 2,5 Millionen als Mindestzahl für die Anfang März im unbesetzten Teil Pommerns und Danzig-Westpreußens befindlichen Deutschen.“ (http://www.hjanzen.de)

Hier einige Zitate aus dem lesenswerten Buch von Helmut Lindenblatt: Pommern 1945 - Eines der letzten Kapitel in der Geschichte vom Untergang des Dritten Reiches, – ISBN 3-7921-0286-2 - 1984/1993 im Verlag Gerhard Rautenberg, Leer:

„Die sowjetischen Verbände waren aus ihren Brückenköpfen an der Weichsel am 12. Januar auch zum Vormarsch Richtung Oder angetreten und hatten den Strom am 31. Januar bei Frankfurt und Küstrin erreicht, wobei sie etwa 600 Kilometer vorgestoßen waren. Die bereits an der Weichsel schwer angeschlagenen deutschen Truppen konnten diesen Angriff nur wenig verzögern. Dementsprechend fielen in diesem Gebiet besonders viele Deutsche in sowjetische Hand, somit war die Zahl der im Warthegau und im östlich der Oder gelegenen Teil der Mark Brandenburg ermordeten Deutschen besonders hoch. In Ostbrandenburg wurden 35 Prozent der Bevölkerung umgebracht. Jeder vierte Pommer musste sterben.

Der sowjetische Vormarsch endete zunächst an der Oder, weil die Führung der Roten Armee ihre Kräfte für den Angriff auf Berlin neu gruppieren, Reserven heranfahren und die nördlichen und südlichen Flanken in Pommern und Schlesien sichern wollte. Sie richtete ihre Operationen von da ab verstärkt nach Norden, wo ganz Ostpommern zunächst fast völlig unverteidigt war. Es gelang nur mit großer Mühe, diese Frontlücke notdürftig zu schließen. Zu einer der beiden deutschen Armeen, die eine von der Oder bis zur Weichsel reichende Verteidigungslinie bildeten, gehörten nur fünf reguläre deutsche Divisionen. In der Mehrzahl bestand sie aus nichtdeutschen Freiwilligen-Divisionen der Waffen-SS: Skandinaviern der Panzer-Grenadier-Division Nordland, Walloniern der Panzer-Grenadier-Division Wallonie, Holländern der Panzer-Grenadier-Division-Nederland. Im östlichen Teil Pommern wurde die französische SS-Freiwilligen-Division Charlemagne eingesetzt.

In den letzten Februartagen begannen die sowjetischen Armeen - unterstützt von der 1. polnischen Armee - gleichzeitig in Westpreußen und in Ostpommern ihre entscheidenden Angriffe zur Gewinnung der Ostseeküste und zur Besetzung des Landes zwischen dem Unterlauf der Weichsel und dem Unterlauf der Oder. Von Süden nach Norden wurde innerhalb von knapp 14 Tagen ganz Ostpommern in Besitz genommen. Die zwei Hauptstöße der sowjetischen Truppen im Raum Ostpommerns führten einerseits aus dem Raum Friedeberg - Arnswalde nach der Odermündung bei Stettin und weiter nordwärts zur Ostseeküste bei Cammin und andererseits aus dem Raum Schneidemühl - Deutsch-Krone über Neustettin, Bublitz nach der Ostseeküste östlich Köslin. Beide Ziele wurden in kürzester Zeit erreicht, und damit entstand eine für die flüchtende Bevölkerung Pommerns fast aussichtslose Lage. Schon am 1. März standen russische Truppen östlich Köslin an der Ostseeküste, wodurch Ostpommern in zwei Teile gespalten und für alle östlich der Linie Neustettin - Köslin liegenden Kreise die Landverbindung nach Westen abgeschnitten war...

In Kolberg befanden sich etwa 70.000 Zivilisten. Die Stadt wurde von polnischen und sowjetischen Verbänden ununterbrochen angegriffen und ihr Verteidigungsraum immer mehr zusammengedrängt. Er lag unter unaufhörlichem Beschuss der feindlichen Artillerie. Aber trotz hoher Ausfälle verteidigte die schwache deutsche Besatzung Kolberg, um den Abtransport der Flüchtlinge zu ermöglichen, für den Schiffsraum zunächst noch nicht zur Verfügung stand. Erst in der Nacht vom 17. zum 18. März war die Evakuierung der letzten Zivilisten und Soldaten über See möglich. Als die Polen und Sowjets am 18. März in die Ruinen der Stadt eindrangen, waren alle Zivilisten, Verwundeten und noch kampffähigen Soldaten, insgesamt etwa 75.000 Menschen, eingeschifft worden.“

Dr. H. E. Jahn: „Pommersche Passion“, Ernst Gerdes Verlag 1964: „Von der Gesamtzahl der pommerschen Bevölkerung fielen beim Einmarsch der Roten Armee etwa 50 % in die Hände der Sowjets. Es ist festgestellt worden, dass von allen deutschen Ostprovinzen jenseits von Oder und Neiße die planmäßig von den Sowjets angelegten Brände, Zerstörungen usw. in Pommern den größten Schaden hervorgerufen haben... Polen und Russen entluden ihren angestauten Hass in Racheakten über die ihnen ausgelieferten Deutschen in Vergeltungsmaßnahmen, wie sie kaum wiederzugeben sind. Sie alle, ob Mann, Frau oder Kind jeglichen Alters und Standes waren ‚Kapitalisti’ und ‚Faschisti’, die ausgelöscht werden müssten. Wehe dem, der in ihre Hände fiel und sich nicht rechtzeitig hatte davon machen können. Besonders schlimm erging es den alten Leuten, die die Strapazen nicht durchstehen konnten und am Wege liegen blieben. Die letzten Habseligkeiten wurden ihnen genommen, mancher rettete nur sein nacktes Leben. Viele machten ihrem Leben ein Ende, weil sie keinen Ausweg mehr sahen oder ihnen die Kräfte versagten angesichts der Ausweglosigkeit, ein Letztes zu wagen. Nicht zu reden von den Vergewaltigungen, denen sich Frauen und Mädchen unausgesetzt ausgeliefert sahen.“

Die Niederlage Deutschlands 1945 wurde von vielen Deutschen als Gottesgericht angesehen und das Wort des Propheten Jesaja für sich selbst verstanden: „Weh euch, ihr verbrecherisches und schuldbeladnes Volk! ... Euer Land ist verwüstet, eure Städte sind verbrannt; Fremde verzehren vor euren Augen die Ernte von euren Feldern.“

Weil sich kaum ein heutiger Deutscher unter 70 noch an das Kriegsende oder die ehemaligen deutschen Ostprovinzen persönlich erinnern kann, sollte dieser grauenvolle Teil deutscher Zeitgeschichte nicht in Vergessenheit geraten oder tabuisiert werden, sondern uns für die Zukunft mahnen.

Mehr noch als alle objektiven Fakten spiegeln die in diesem Buch vorgestellten persönlichen Erlebnisberichte betroffener Menschen das ganze Ausmaß der Katastrophe von 1945 wider. Bringen wir uns immer wieder in Erinnerung, was die Zeitzeugen uns mahnend mit ihren Berichten vermitteln: Keine Macht den Radikalen! Keine Macht den Kriegstreibern! Kein Revanchismus! Wehret den Anfängen! Die von den Nazis angeprangerte „Dekadenz“ der Demokratien ist in aller menschelnden Politik allemal die bessere Alternative gegenüber Gewaltherrschaft und Diktatur. Nur ein tolerantes Miteinander der Völker in einem gemeinsamen Europa kann uns vor Wiederholungen solcher Verbrechen bewahren.


Flucht per Treck aus Zoldekow / Hinterpommern

Bericht von

Friedrich Meyer

Dieser Treckbericht wurde im Sommer 1945 an Hand von Tagebuchaufzeichnungen geschrieben.

„Labes wurde gestern von den Russen besetzt. Bei Stargordt stehen Panzerspitzen im Kampf mit unseren Nachhuten. Bei Pyritz und Stargard scheint die Lage etwas gefestigt. Zwischen Reetz und Märkisch-Friedland, im Raume Kallies, sind vor zwei Tagen stärkere russische Kräfte durchgebrochen, die in Richtung Schievelbein-Regenwalde vordringen.“

Oberleutnant Werner, der Kommandeur des dem Brückenkopf Dievenow vorgelagerten kleinen Stützpunktes Raddack, sagt es in seiner knappen, nüchternen Art auf meine Frage nach der militärischen Lage am Vormittag des 3. März 1945.

„Ist etwas bekannt von Gegenmaßnahmen auf unserer Seite?“ „Nein! Aber es ist kaum anzunehmen, dass wir über genügend Kräfte dazu verfügen..“

„Das bedeutet also die Aufgabe von Ostpommern bis an die Dievenow?!“

„Ja! Wir haben den Befehl, uns auf die Brückenkopfstellung Dievenow zurückzuziehen und die Front im Abschnitt Kalkberg zu verstärken.“

Ich verabschiede mich von dem wackeren Offizier und guten Nachbarn, um möglichst schell nach Hause, nach Zoldekow zurückzufahren. Wie lange wird es noch unser Zuhause sein? Die militärische Lage hat sich nach dem Durchbruch der Russen bei Kallies für uns bedrohlich zugespitzt! Es muss schnell gehandelt werden, wenn das Leben der mir anvertrauten 100 Familien gerettet werden soll. Der treue Kutscher Johannes, wortkarg wie alle Pommern, fragt mich, ob wir bald trecken müssen. Ich erzähle ihm, was ich soeben in Raddack gehört habe. Er treibt wortlos die Braunen zur Eile an.

Bald kommt Zoldekow in Sicht. In der Märzsonne leuchtet der braune Lehmboden des Schilfberges, gekrönt vom dunklen Schatten des Parks. Auf Schlag I fahren die Gespanne Dung. Es geht noch alles ganz friedensmäßig zu. Auf der Straße ziehen Treckfahrzeuge aus dem Osten. Ein gewohntes Bild seit Wochen. Ich halte beim Statthalter Potratz an.

„Wir müssen aufhören mit Dungfahren! Alle Wagen in Ordnung bringen. Pferdebeschlag nachsehen! Wir müssen packen und unseren Treck vorbereiten!“ Im Dorf verbreitet sich mein Befehl mit Windeseile. Ein geschäftiges Treiben beginnt. Es ist aus mit der Ruhe und Beschaulichkeit. Der unerbittliche Krieg bricht in den Frieden des pommerschen Gutsdorfes ein.

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Zu Hause gleichfalls bange Fragen, klare und eindeutige Antworten und Anordnungen.

Das Telefon klingelt. Der Amtsvorsteher in Groß-Justin will von mir die letzten Nachrichten über die militärische Lage wissen. Er ist selbst ohne Nachrichten aus der Kreisstadt Cammin. Ich berichte ihm das in Raddack Gehörte und vereinbare, dass Sonntag, der 4. März dazu benutzt werden soll, alles für den Treck vorzubereiten. Ab 18 Uhr soll alles treckbereit sein. Wir wollen dann den Treckbefehl der Kreisleitung abwarten. Falls die militärische Lage es aber erforderlich macht, wollen wir auf eigene Verantwortung den Treckbefehl geben.

Nach kurzer Mittagsrast muss ich auf den Nachbarbetrieb Schwenz. Auch dort wird Treckbereitschaft angeordnet. Die Treckstraße für Schwenz führt über Cammin. Ich vereinbare mit den zu Treckführern ernannten Volksstürmern, dass der Schwenzer Treck sich an den Zoldekower Treck anschließen soll, da es mir fraglich erscheint, dass der Treckbefehl früh genug erteilt wird, um die Straße über Cammin noch passieren zu können. Da der Moorweg aufgeweicht ist, soll der Raupenschlepper die Fahrzeuge durchziehen.

Zurück nach Zoldekow! Auf der Straße, die von Groß-Justin über Zoldekow nach Stresow führt, rollen in endloser Reihe Treckfahrzeuge. Leute aus Ostpreußen und dem Warthegau, die teilweise schon seit Mitte Januar unterwegs sind. Seit Wochen kommen sie bei uns bereits durch. Jeden Abend haben wir Pferde und durchfrorene, hungrige Menschen untergebracht und verpflegt. In den Strom dieser großen Völkerwanderung werden wir nun selber hineingerissen, erbarmungslos und ohne Gnade. Auch heute wieder sind lange Reihen von Treckfahrzeugen auf dem Gutshof aufgefahren. Die Pferde stehen in der Heu-Scheune und fressen sich in die großen Heubansen hinein. Auch für die hungrigen Menschen ist wieder gesorgt. Werden wir auf unserer Flucht auch immer ein freundliches Quartier bekommen?

Es wartet noch eine Fülle Arbeit auf mich. Die einzelnen Familien werden auf die Fahrzeuge verteilt, Pferde und Fahrer bestimmt, Sonderwünsche nach Möglichkeit erfüllt, Zank und Streit geschlichtet. Zwischendurch klingelt immer wieder das Telefon. Freunde und Bekannte aus der Nachbarschaft wollen Neues wissen; sie werden unterrichtet und gewarnt. Die Gutsfrau des Nachbarbetriebes, deren Mann an der Front steht, wird verständigt, das vereinbarte Stichwort gegeben.

Für jeden Einzeltreck wird ein Treckführer bestimmt, der die genaue Marschroute schriftlich mitbekommt. Von den von mir geleiteten Betrieben Zoldekow und Schwenz werden je ein motorisierter Treck, bestehend aus je zwei gummibereiften Treckern und vier Gummiwagen und je ein bespannter Treck zusammengestellt. Das Vorwerk „Schwenzer Brink“ treckt für sich. Für jedes Pferd sind 3 Ztr. Hafer mitzuführen. Alle überflüssigen Gegenstände müssen im Stich gelassen werden. Es gilt das nackte Leben zu retten. Betten, Kleidung und Lebensmittel sollen nach Möglichkeit mitgenommen werden. Hühner müssen als Marschverpflegung geschlachtet, Brotvorrat muss noch gebacken werden. Inzwischen ist die Nacht hereingebrochen, eine Nacht der Unruhe und Spannung.

Sonntag früh um 7 Uhr beginnt endgültig das Verpacken der Treckwagen. Die in Zoldekow seit 1941 beschäftigten kriegsgefangenen Russen helfen treu und fleißig und mit großem Geschick bei der Herrichtung der Treckfahrzeuge. Mit Brettern und Planen werden die Wagen verschalt und abgedeckt. Dächer aus Binderplänen entstehen. Es kommt uns zugute, dass seit Wochen die Flüchtlinge aus Ostpreußen uns ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. Das Dorf sieht aus wie ein Heerlager. An vielen Stellen werden Hühner und Gänse geschlachtet. Auch einige Schweine müssen noch daran glauben.

Ich setze mich telefonisch mit Oberleutnant Werner in Verbindung. Die militärische Lage hat sich nicht gebessert. Der Russe drückt mit starken Kräften in Richtung Plathe nach Norden. Von Schievelbein aus sollen Panzerspitzen bis in die Gegend von Treptow vorgestoßen sein. Fern im Südosten sieht man am Horizont mit dem Glas deutlich an verschiedenen Stellen Rauchsäulen aufsteigen. Die Front rückt langsam aber sicher näher.

Wir beschließen, noch eine Nacht in Zoldekow zu bleiben und am Montag früh abzufahren.

Gegen Abend kommen Trecks aus der Greifenberger Gegend. Bekannte und Freunde sind darunter. Eine Frau aus Damerow bittet um ein Pferd. Der Mann ist eingezogen, vier kleine Kinder sind zu retten. Sie bekommen ein altes aber brauchbares Pferd. Einige Saugfohlen müssen getötet werden. Die Mutterstuten sollen mit als Zugpferde. Eine dunkle Nacht bricht herein. Es wird nicht viel mit dem Schlaf. Draußen auf der Straße rollen unaufhörlich Fahrzeuge nach Westen. Der Hof und das Dorf sind voller Unruhe. Der Himmel ist gerötet von brennenden Höfen und Dörfern.

Noch einmal erbitte ich von Raddack den Lagebericht. Plathe ist von den Russen besetzt, die in Richtung Naugard-Greifenberg-Gülzow vordringen. Eigene Abwehr ist schwach. Ich teile nunmehr dem Amtsvorsteher mit, dass ich für Montag früh, 7 Uhr, Abmarschbefehl gebe. Was die Kreisleitung dazu sagt, ist mit gleichgültig. Ich fühle mich selbst verantwortlich für die mir anvertrauten Menschen.

Montag früh um 5 Uhr Anruf aus Schwenz: Der „politische Leiter“ ist da und verbietet den Abmarsch. Ich ordne an, dass trotzdem in der besprochenen Weise abmarschiert wird. Ist das nun Dummheit oder Verbrechen? Wenn die Frauen und Kinder schon vor Tagen und Wochen zurückgeführt worden wären, hätte viel Jammer und Unglück vermieden werden können. Angesichts der stündlich näher rückenden Panzerspitzen immer noch den Abmarschbefehl hinauszuzögern ist glatter Mord und erfordert Selbsthilfe. „Jagt den Kerl vom Hof und marschiert ab!“

Um 7 Uhr sammelt sich der Treck auf der Straße nach Stresow. Die Treckführer bestimmen die Reihenfolge. Der übriggebliebene Volkssturm ohne Waffen hat die Aufgabe, unter meiner Führung ca. 1.000 Stück Rindvieh von den Gütern Schwenz, Zoldekow, Riebitz, Groß-Justin und aus den Dörfern Justin und Nitznow am Ostseestrand entlang auf die Insel Wollin zu treiben und der Flughafenkommandantur Dievenow zu übergeben.

Abschied von den Lieben! Wann und wo werden wir uns siedersehen? Die letzten Fahrzeuge rollen durch das Dorf. Vor dem Russenlager stehen die russischen Kriegsgefangenen angetreten zum Abmarsch nach Westen. Ich nehme Abschied von jedem einzelnen. Prächtige Burschen sind darunter, die teilweise seit 1941 bei uns tätig waren. Fleißige, intelligente Arbeiter. Einigen stehen Tränen in den Augen. Ein unbegreifliches Volk, diese Russen! Große Kinder, leicht im Guten zu beeinflussen! Aber leider auch ebenso leicht im Bösen, wie das die uns täglich zu Ohren kommenden Grausamkeiten, die an der friedlichen deutschen Zivilbevölkerung verübt werden, beweisen.

Das Vieh wird in den Ställen gelöst und auf den Hof getrieben. 140 Milchkühe und über 200 Stück Jungvieh aus Zoldekow, fast ebensoviel aus Schwenz werden zusammengetrieben und ziehen in Richtung Riebitz-Baldebus. Der Hof hat sich geleert. Haus und Speicher stehen offen, werden von Angehörigen fremder Trecks und Polen durchsucht und geplündert. Als letzter verlasse ich den Hof. Einen Augenblick überfällt mich die Wehmut des Abschieds. Mehr als 6 Jahre harter, erfolgreicher Arbeit versinken hinter mir. Das Haus, das mir und meiner Familie Heimat war, steht verlassen. Wir sind fahrendes Volk geworden, meine Frau und drei kleine Kinder von 1 bis 3 Jahren hausen jetzt in einem Treckwagen, den Unbilden der Märzwitterung ausgesetzt. All unser Hab und Gut müssen wir im Stich lassen! „Vom Winde verweht!“ Wir sind mitgerissen von der gewaltigen Völkerwanderung, die sich seit Wochen aus den weiten Ebenen zwischen Weichsel und Oder nach Westen ergießt, alles mit sich schwemmend und weite Räume im Westen Deutschlands überflutend.

Fahl ist im Osten die Märzsonne aufgegangen. Ich bahne mir mühsam den Weg an rollenden Treckwagen vorbei durch das zum Teil bereits geräumte Dorf Stresow zur Stellung Raddack, wo ich den Viehtransport erwarten will. Die Stellung ist alarmiert. Ich begrüße Oberleutnant Werner, der mit mir den Beobachtungsturm erklettert und mir die neueste Lageschilderung macht. Letzte Meldungen besagen, dass Gülzow in den frühen Morgenstunden gefallen ist und das Dorf Baumgarten, westlich davon schon brennt. Man kann im Ferngerät die Rauchsäulen sehen. Ich beobachte durch das Glas die Straße, die von Cammin nach Dievenow führt. Da müssen jetzt unsere Wagen rollen. Eine ununterbrochene Kette von Treckfahrzeugen bewegt sich langsam nach Nordwesten. Über die Dievenow führt nur eine schmale Schiffsbrücke zum Flughafen Dievenow hinüber. Dort werden sich die Fahrzeuge stauen. Es geht immer nur langsam hinüber, aber ich weiß die Zoldekower und Schwenzer Fahrzeuge in vorläufiger Sicherheit. Die Odermündung mit den breiten Mündungsarmen bildet ein natürliches, schwer zu nehmende Panzerhindernis.

Motorengeräusch über uns in großer Höhe! Fliegeralarm!!! Russische Beobachter werden gemeldet. Die Kondensstreifen verschwinden in Richtung Ostsee.

Vom Beobachtungsstand kann ich jetzt in Richtung Riebitz die riesige Viehherde sehen, die sich langsam nach Baldebus fortbewegt. Unser schönes Milchvieh aus Zoldekow und Schwenz! Zugführer Ochsenbein, unser tüchtiger Melkermeister aus Zoldekow, leitet den Abtransport. Es wird noch 2 bis 3 Stunden dauern, bis die Tiere über Baldebus den Ostseestrand bei Kalkberg erreicht haben, und es wird Abend werden, bis die Herde über die Brücke nach Dievenow getrieben werden kann.

Ich beobachte wieder nach Süden und Südwesten. Cammin, die alte, von Otto von Bamberg vor 700 Jahren gegründete Bischofsstadt, seitdem ein Vorposten des Deutschtums in Ostpommern, leuchtet im fahlen Schimmer der Märzsonne über die spiegelglatte Fläche des Boddens herüber; in der Mitte des Städtchens die klobige Silhouette des Domes. Links vom Dom sind plötzlich Rauchwolken zu sehen. Auch ist jetzt deutlich Gefechtslärm zu vernehmen. Kein Zweifel, der Kampf um Cammin hat begonnen! Links von der Stadt kommt eine braungraue Rauchwolke hoch. Das muss das Bauerndorf Revenow sein! Am Bahnhof und bei der Molkerei sind Artillerietreffer zu erkennen.

Oberleutnant Werner klettert vom Beobachtungsstand herunter. „Herr Rocksch! Führen Sie einen Spähtrupp nach Cammin! Nehmen Sie den kleinen PKW und suchen sich zwei Männer dazu aus! Versuchen Sie vor allem zu erkunden, ob die Straße Cammin-Schwirsen noch frei ist!“ Der kleine Wagen spritzt auf dem Feldweg über Raddack davon.

Inzwischen schwillt der Gefechtslärm in Cammin an. Maschinengewehrfeuer, Abschüsse und Einschläge, dazwischen schwere Schläge von Minen und Panzerfäusten. An verschiedenen Stellen brennt es in der Stadt. Auch auf der kleinen Insel Gristow, rechts von Cammin im breiten Strom der Dievenow liegend, brennt es an verschiedenen Stellen.

In der Stellung Raddack wird die Sprengung der Messgeräte und Baracken vorbereitet. Kradmelder fahren zu den vorgeschobenen Stellungen. Vorläufig ist nicht mit Feindberührung zu rechnen. Zwischen Cammin und Groß-Justin zieht sich ein breiter Moorgürtel. Durch Schmelzwasser weit überschwemmt, bis nach Zoldekow. Das Moorgelände ist durch den breiten Brenkenhofkanal durchschnitten, über den nur dicht bei Cammin eine Brücke führt. Nördlich dieses Moorgürtels zieht sich die Straße von Justin über Zoldekow-Stresow-Granzow-Fritzow nach Dievenow. Hier wälzt sich langsam eine Schlange von Treckfahrzeugen in Richtung Dievenow weiter. Hoffentlich hält Cammin möglichst lange! Das bedeutet die Rettung unzähliger Treckfahrzeuge. Die südlich und westlich von Cammin auf den Straßen ziehenden Trecks sind wahrscheinlich abgeschnitten und werden von den russischen Panzern überrollt.

Es ist ein Verbrechen der verantwortlichen politischen Leitung, den Treckbefehl für den Kreis Cammin so spät gegeben zu haben. Fast der ganze Kreis Cammin südlich der Straße Groß-Justin-Granzow ist abgeschnitten.

Ein Melder meiner Volkssturmkompagnie kommt auf einem Fahrrad und meldet, dass sich der Viehtransport bei Kalkberg sammelt. Ich muss nach Kalkberg! Ich verabschiede mich von den Kameraden in Raddack. Lebt wohl! Gute Fahrt! Ein fester Händedruck mit Oberleutnant Werner. Ein Abschied, vielleicht für immer!

In Kalkberg ist die Stellung von einer Luftwaffentruppe besetzt. Hauptmann Kolsch erklärt mir die Lage. Auf dem Waldwege von Lüchenthin nach Kalkberg und am Strande entlang zurückflutende Truppen. Lettische Freiwillige und Versprengte verschiedener Truppenteile. Dazwischen Flüchtlinge zu Fuß und auf Fahrrädern aus den Ostseebädern Poberow, Horst, Rewahl, Deep. Verwundete und Frauen mit Rucksäcken und Koffern! Ein Bild des Jammers und Zusammenbruchs!

Unsere Viehherde, rund 1.000 Stück Rindvieh und Hunderte von Schafen nähert sich. Ich lasse sie von Kalkberg aus an den Ostseestrand treiben. Am Strand entlang sollen die Tiere bis nach Dievenow, und dort über die Brücke zum Flughafen hinübergetrieben werden.

Ich fahre mit dem Wagen nach Dievenow voraus, um den Übergang über die Brücke vorzubereiten. Vor der Brücke ist ein furchtbares Gedränge von Menschen und Fahrzeugen. Ich treffe immer wieder Bekannte. Die bespannten Trecks von Zoldekow und Schwenz halten kurz vor der Brücke. Vor Abend werden sei kaum auf der Insel Wollin sein.

Ich melde mich bei der Kommandantur des Flughafens, die freudig den gemeldeten Viehtransport begrüßt. Die Tiere sollen vorläufig auf die große Camminer Stadtweide zwischen Dievenow und Heidebrink getrieben werden, wo ein großer Weideschuppen steht. Sie dienen zur Verpflegung des Platzes.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Über das Wasser des Boddens hinweg sieht man das brennende Cammin, das hart umkämpft wird.

Mit Geschrei und Gebrüll wird jetzt die Viehherde über die Brücke getrieben. Fluchend müssen Treckfahrzeuge warten, bis alle Tiere herüber sind. Dann setzt wieder der stetige Strom von Fahrzeugen ein. Alles drängt und hastet nach Westen über die Straße nach Heidebrink-Kolzow. Wie mag es in Swinemünde aussehen? Dort ist seit gestern eine Schiffsbrücke über die Swine in Betrieb. Die kleinen Fähren können nur einen Bruchteil der Fahrzeuge herüberbringen und Tausende von Fahrzeugen stauen sich in Ostswine.

Meine Aufgabe, den Viehtransport nach Dievenow zu bringen, habe ich erfüllt. Die Volkssturmmänner sollen sich jetzt auf Befehl der Bataillonsführung ihren Trecks anschließen. Wir erwarten daher im Flughafen Dievenow unsere bespannten Trecks, um mit ihnen in „ein unbekanntes Elend“ nach Westen zu ziehen. Die Nacht ist hereingebrochen, eine gespenstische Nacht voller Unruhe und Kampflärm.

Jetzt kommen aus der Dunkelheit die ersten Fahrzeuge unseres Zoldekower Trecks in Sicht. Ich lasse halten, füttern, tränken und sammeln. Die durchfrorenen Menschen finden Unterkunft in der warmen Konzerthalle des Flughafens, die an 3.000 Menschen fasst. Dort sitzen und liegen Tausende Flüchtlinge, froh im Warmen zu sein. An unserem Tisch sitzen zwei Frauen mit Säuglingen. Sie haben im Krankenhaus in Treptow vor fünf Tagen entbunden und sind beim Anrücken der Russen mit den Kindern auf dem Arm zu Fuß am Strand entlang geflüchtet. Gerettet haben sie nur ihre Kinder. Milch wird für die Ausgehungerten beschafft, Windeln und warme Decken zur Verfügung gestellt. Ich melde mich bei einem Offizier der Wache. Er sorgt dafür, dass die Mütter mit einem Wehrmachtsfahrzeug in Sicherheit gebracht werden.

Die Wagen unseres Zoldekower Trecks haben sich inzwischen gesammelt. Es fehlt nur ein Wagen mit dem russischen Melkerpersonal, auf dem sich u. a. auch unsere Büroeinrichtung befindet. Haben sie sich seitwärts in die Büsche geschlagen, ihren anrückenden Truppen entgegen? Eine Stunde wollen wir noch warten. Dann müssen wir weiter.

Von Cammin kommen Flüchtlinge auf kleinen Booten über den Bodden herüber. Es wird immer noch gekämpft. 24 russische Panzer sollen abgeschossen worden sein. Die Dammbrücke über den Brenkenhofkanal ist gesprengt. Vor überraschenden Panzerangriffen ist die nördliche Treckstraße sicher. Hoffentlich hält sich die Besatzung der Insel Gristow!

Unsere Ruhepause ist abgelaufen. Wir trecken weiter in Richtung Heidebrink-Kolzow-Misdroy. Es geht zunächst ohne Aufenthalt und Stockung weiter. Ich fahre mit dem Wagen voraus. Von Misdroy aus wird die Straße immer voller von Trecks und Wehrmachtskolonnen. Dazwischen schieben sich Tausende von Flüchtlingen zu Fuß, die auf kleinen Handwagen und Kinderwagen ihre gerettete Habe mit sich führen. Plötzlich sitze ich eingekeilt zwischen einem Treck, der die Straße sperrt, und einer Lastwagenkolonne, die von hinten nachschiebt. Sobald sich ein Loch zeigt, versuche ich mich durchzuwinden. Plötzlich werde ich langsam, aber sicher von einem schweren Wehrmachtswagen in einen vor mir haltenden Treckwagen geschoben. Es gibt einen starken Ruck! Der Motor bleibt stehen. Der Kühler ist eingedrückt und die Kühlerschraube hat sich in den Kühler festgefressen. Aus!

Es dauert stundenlang, bis es vorne Luft gibt und die Treckwagen wieder weiter rollen. Der Wehrmachtswagen nimmt mich im Schlepp mit. Es geht an haltenden Trecks vorbei. Der Morgen dämmert herein.

Im Walde kurz vor Misdroy fahren wir an unserem Motortreck vorbei, der in eine haltende Kolonne eingekeilt ist. Beim nächsten Halt hänge ich mich ab und gehe ein Stück zurück zu unserem Treck, auf dem Frauen und Kinder eine unruhige Nacht verbracht haben. Die Freude, dass alles munter und gesund ist, ist groß. Ich bekomme heiße Hühnersuppe und Brot. Da ich seit 16 Stunden nichts gegessen habe, schmeckt das Frühstück gut. Der Treck hatte eine Gummipanne, die inzwischen dank der tatkräftigen Mithilfe von Bärbel von der Meden behoben wurde. Es kann jetzt wieder weitergehen. Ich will meinen Pkw an unseren Gummitreck anhängen.

Langsam kommen die Häuser von Misdroy in Sicht, ruckweise geht es weiter. Auf dem Markt kommt weinend eine junge Frau auf uns zu. Sie trägt auf dem linken Arm einen Säugling, an der rechten Hand ein zweijähriges Mädchen. Sie bittet uns händeringend, sie mit bis Swinemünde zu nehmen. In der Nacht ist die Unglückliche mit den beiden Kindern und nur ganz wenigen Habseligkeiten zu Fuß aus dem brennenden Cammin geflüchtet und die ganze Nacht hindurchgewandert. Wir rücken noch enger zusammen und nehmen die armen Menschen mit.

Es geht wieder ein Stück weiter, aus Misdroy heraus. Ich sitze meistens bei Kurt, dem 15jährigen Treckerfahrer auf dem „Stock“-Schlepper. Jede kleine Lücke in der Kolonne vor uns muss ausgenutzt werden, jede Kriegslist ist erlaubt. Wenn es geht, hängen wir uns an Wehrmachtskolonnen an, die bevorzugt durchgeschleust werden.

So kommen wir gegen Mittag auf die große Bäderstraße, die Wollin mit Swinemünde verbindet und auf die unsere Straße bei Liebeseele stößt. Hier ist endgültig alles verstopft. Ein Verkehrsposten leitet unseren Zug auf eine freie Stelle vor dem Forsthaus Liebeseele. Hier müssen wir warten. In mehreren Reihen stehen vor uns auf der Straße die Treckfahrzeugen nebeneinander. So soll es bis Swinemünde aussehen, 9 km und 16.000 Treckfahrzeuge liegen vor uns auf der Straße. Die Schiffsbrücke kann nur bei Dunkelheit befahren werden, da sie tagsüber ausgefahren wird, um den Schiffsverkehr auf der Oder nicht zu behindern.

Die Straße von Wollin bis Liebeseele ist ebenfalls von Fahrzeugen und Flüchtlingen verstopft. Wollin selbst soll brennen, die Brücke über die Dievenow gesprengt sein. Bei Porlowkrug haben russische Panzerkolonnen viele Trecks überrollt und aufgerieben, darunter die Trecks aus Benz und Schnatow. Versprengte von diesen Trecks, die sich zu Fuß durchschlagen, bringen uns diese Meldung. Mit zwei anderen Damen kommt zu Fuß die alte Gräfin von Flemming aus Schnatow bei uns an. Sie hat nur einen Apfel gerettet, den sie in der Hand trägt. Wir freuen uns, dass unser Küchenwagen sie erfrischen kann.

Ich mache mich zu Fuß nach vorne auf den Weg, um zu erkunden, wie es dort aussieht und wann wir dort Aussicht haben, weiter zu kommen. Zwischen Treckfahrzeugen halten Kolonnen der Wehrmacht, lettische Freiwillige, Wlassow-Formationen, zurückgeführte Kriegsgefangene, Versprengte. In den Wäldern brennen große Feuer, um die sich frierende und hungrige Menschen drängen. Tote Pferde und zerbrochene Fahrzeuge säumen die Straße. Dazwischen hin und wieder ein frischer Hügel aufgeworfen, mit einem einfachen Kreuz aus Birkenholz. Hier sind Menschen, meist alte Leute oder kleine Kinder auf der Landstraße gestorben und verdorben.

Mein Plan steht fest. Sobald die Schiffsbrücke wieder geöffnet ist und es vor uns Luft gibt, will ich versuchen, mit unserem Treck an den haltenden Kolonnen vorbei nach vorn zu kommen.

Als ich wieder nach Liebeseele zurückkehre, bricht die Dämmerung herein. Wir bereiten in aller Stille unseren baldigen Abmarsch vor. Dann gehe ich vor dem Trecker her, und wir kommen langsam, schrittweise weiter. Es geht oft haarscharf an den Straßenrändern und Böschungen vorbei. Die Straße ist vereist. Zwischendurch gibt es stundenlangen Aufenthalt. Kalt und dunkel ist diese zweite Nacht. Ab und zu weint ein Kind. Die Wachtfeuer beleuchten Szenen von wilder Romantik. Viele Fahrzeuge halten am Rande. Die Fahrer sind eingeschlafen. So kommt es, dass wir oft kilometerweit die Straße frei vor uns finden und ein gut Stück vorankommen. Es ist eine lange, kalte Nacht, aber auch sie geht zu Ende. Gegen Morgen sind wir in Pritter, etwa 5 km vor Ostswine. Die Schiffsbrücke war die ganze Nacht hindurch geöffnet, und es hat Luft gegeben. Jetzt wird sie wieder ausgefahren, und ein neuer Rückstau setzt ein. Wir sind jetzt wieder in eine dicke Kolonne eingereiht, und es geht nur schrittweise voran. Immer wieder kommen uns Truppen und motorisierte Artillerie entgegen, die bei Wollin und Dievenow eingesetzt werden sollen. Man spricht von einem bevorstehenden Gegenangriff.

Wenn wir Glück haben, treffen wir noch heute in Ostswine ein und können vielleicht noch mit einer Fähre übersetzen. Ich mache wieder einen Erkundungsgang nach vorn. Fräulein Bärbel passt auf, dass unser Treck nicht abgehängt und jede Möglichkeit, nach vorn zu kommen, ausgenutzt wird. Die schwere Festungsflak in Swinemünde schießt pausenlos Sperre. Ich stehe nach einer Stunde am Hafen. Der Übersetzverkehr mit zwei kleinen Fähren geht langsam vonstatten. Wir werden heute kaum damit rechnen können, dass wir übersetzen können. Ich bemühe mich daher um ein warmes Nachtquartier für die Frauen und Kinder. Es wird mir von der Marine eines in Aussicht gestellt. Ich gehe zurück, unserem Lastzug entgegen.

Um 16 Uhr trifft unser Lastzug in Ostswine ein. Hier werden wir durch einen Verkehrsposten in eine Seitenstraße geleitet, wo wir, festgekeilt in eine andere Kolonne, stehen bleiben müssen. Es wird also wieder nichts mit dem warmen Nachtquartier. Vielleicht kommen wir in der Nacht noch über die Fähre.

Ich will noch allein mit der Fähre übersetzen und für den Schwenzer Motortreck Brennstoff organisieren für die Weiterfahrt. Leider hat der Russe, wie ich erst jetzt erfahre, den Raupenschlepper, der den Brennstoff nachführen sollte, beschossen. Ich will gleichzeitig versuchen, in einem warmen Raum in der Stadt einige Stunden zu schlafen, denn ich fühle, wie meine Kräfte nachlassen.

Ich treffe im Büro der landwirtschaftlichen Genossenschaft Bekannte und Freunde. Die Brennstoff-Frage wird gelöst. Ein Hotelzimmer ist für mich bereitgestellt, wo ich, ohne Stiefel und Kleider auszuziehen, auf das Bett sinke und augenblicklich in festem Schlaf liege.

Durch eine gewaltige Detonation werde ich im Bett hochgerüttelt und bin wieder munter. Es ist 4 Uhr früh. Ich eile sofort wieder zur Fähre und fahre nach Ostswine herüber, um unseren Lastzug zu suchen. Stundenlang laufe ich in der Dunkelheit an langen Reihen von Fahrzeugen vorüber, ohne ihn zu finden. Ein Schutzmann sagt mir, dass landwirtschaftliche Schlepper in der Nacht über die Brücke geleitet worden seien. Ich eile zur Brücke. Keine Spur von unseren Wagen! Zur Fähre zurück! Nichts! Noch einmal zurück nach Swinemünde! Keine Spur!

Ein Rossschlächter, der von Usedom kranke Pferde abholen soll, nimmt mich mit in Richtung Usedom. Es wäre möglich, dass der Lastzug in der Nacht über die Brücke gezogen und in Richtung Usedom weitergetreckt ist. Wir fahren an vielen Treckfahrzeugen vorbei. Unser Lastzug ist nicht darunter. Ich fahre nach Swinemünde zurück und treffe plötzlich auf unser Fahrzeug, das gerade in den Hof der Genossenschaft einbiegt. Eben erst sind sie mit der Fähre übergesetzt. Ich habe die Wagen in der Dunkelheit nicht gesehen.

Die Frauen und Kinder waschen sich und schlafen dann in einem warmen Zimmer auf Stroh, die Frau aus Cammin, die uns von Misdroy aus begleitet hat, wird vom Roten Kreuz aufgenommen. Ich nehme Verbindung mit dem Schwenzer Motortreck und den beiden bespannten Trecks auf, die noch östlich Pritter halten. Marschbefehle für den Weitertreck nach Erdmannshöhe bei Demmin werden ausgestellt.

Es wird von einem bevorstehenden Fliegerangriff auf Swinemünde gesprochen. Ich will noch vor Dunkelheit aus der Stadt heraus mit unseren Wagen, so gern ich allen die verdiente Ruhe gegönnt hätte. Um 15 Uhr ist also wieder einmal Abmarsch in Richtung Usedom. Die Straße ist bergig, oft muss ein Wagen abgehängt werden, den der Trecker dann nachholen muss. Beim Flugplatz Garz will an einem steilen Berg plötzlich der kleine Stockschlepper nicht mehr ziehen. Die Kupplung rutscht! Verflucht! Das fehlt noch! Ein Wehrmachtsfahrzeug schleppt die Wagen zu einem Gehöft an der Straße. Durch eine Werkstattkompagnie wird mein Pkw behelfsmäßig wieder hergestellt. Ich muss nach Swinemünde zurück, um den tüchtigen Werkmeister Georg Lenz, der sich beim Schwenzer Motortreck befindet, zu holen und nach Möglichkeit eine neue Kupplung zum „Stock“ beschaffen.

Frauen und Kinder finden liebevolle Aufnahme in dem Gehöft. Ich fahre mit Fräulein Bärbel nach Swinemünde. Eine Kupplung ist nicht zu beschaffen. Vielleicht in Usedom! Auch dort ist nichts zu machen! Also wieder zurück nach Garz! Dort ist inzwischen Lenz eingetroffen und hat bereits die alte Kupplung ausgebaut. Wir fahren nun gemeinsam zum Flugplatz Garz. Und siehe da! Wir bekommen von der Luftwaffe eine neue Kupplung! Unentgeltlich!

Am Nachmittag kommt ein Paatziger Wagen vorbei. Wir erfahren, dass in letzter Minute Herr von Flemming und sein Bruder aus Paatzig herausgekommen sind. Die beiden Brüder von Flemming werden morgen Vormittag hier in Garz erwartet. Da wir noch auf den zweiten Treckerzug des Zoldekower Motortrecks warten wollen, übernachten wir noch einmal bei den freundlichen Leuten in Garz. Wir wollen dann am nächsten Vormittag den Holzbulldog und Herrn von Flemming erwarten und dann weiterziehen über Usedom nach Demmin, wo in Erdmannshöhe bei Bekannten und Landsleuten eine Zwischenstation und Sammelpunkt für alle Treckwagen verabredet ist. Am nächsten Vormittag treffe ich mich mit Herrn von Flemming. Er hat wenig gerettet und muss nun mit seinem kranken Bruder flüchten wie Hunderttausende andere. Er billigt meinen Plan, mit den Zoldekower Leuten und Gespannen über Demmin westwärts über die Elbe bis in die Lüneburger Heide zu ziehen. Wir nehmen Abschied. Ich gebe den Abmarschbefehl, und es geht flott westwärts nach Usedom. In Usedom kurze Rast. Dann passieren wir gegen Abend die große Peenebrücke und halten bei Einbruch der Nacht auf der Straße in einem windgeschützten Waldstück. Hier lodern wieder viele Wachfeuer, und Menschen und Tiere drängen sich um die Wärme. Wieder eine Nacht auf der Landstraße! Es ist bitterkalt. Ich gebe daher um 2 Uhr in der Frühe Abmarschbefehl und beleuchte mit einer kleinen Laterne vorausgehend dem langsam fahrenden Trecker den glatten Weg. Um 5 Uhr sind wir in Anklam. Hier sind alle Straßen und der Markt mit Fahrzeugen verstopft. Kurzer Aufenthalt! Dann geht es bei Hellwerden weiter nach Jarmen. Die Straßen werden besser und die Landschaft wird ebener. Wir können ein schärferes Tempo vorlegen und treffen gegen 12 Uhr in Erdmannshöhe ein, wo gute Freunde uns begrüßen und gastfreundlich aufnehmen.

Seit einer Woche essen wir zum ersten Male wieder an einem gedeckten Tisch und schlafen dann wie tot in richtigen Betten. Nachmittags kommt von Usedom ein Telefonanruf: Unser Holzgasschlepper liegt auf offener Straße fest mit gebrochener Schwungscheibe. An eine Reparatur ist nicht zu denken. Wir müssen ihn abschleppen. Aber der 15jährige Kurt Potratz muss erst eine Nacht schlafen. Montag früh fährt er mit dem Stockschlepper los und kommt um 12 Uhr in der Nacht mit den beiden Wagen und dem defekten Schlepper in Erdmannshöhe wieder an.

Inzwischen ist auch der Schwenzer Gummitreck, bestehend aus zwei Gummischleppern und vier Gummiwagen in Erdmannshöhe angekommen. Wir hängen hinter den Famoschlepper jetzt drei Gummiwagen, hinter den Stock und den Normag je zwei; ein Wagen wird mit Pferden bespannt. Der Holzgasbulldog muss in Erdmannshöhe stehen bleiben, da an eine Reparatur wegen der Unmöglichkeit Ersatzteile zu beschaffen, nicht zu denken ist.

Am Nachmittag donnern über den niedrigen Wolken in Richtung Osten schwere Bomberverbände über uns hinweg. Der feindliche Angriff gilt Swinemünde. Mir ist wie dem Reiter, der über dem Bodensee geritten ist. Die armen Flüchtlinge und Treckfahrzeuge, die noch vor und in Swinemünde liegengeblieben sind!

Freitag, den 16. März. Wir nehmen Abschied von Erdmannshöhe und unseren lieben Gastgebern. Wir wünschen ihnen, dass sie auf ihrer Scholle sitzen bleiben können. Um 7 Uhr ist Abmarsch. An der Spitze wieder der jetzt geschlossen fahrende Motortreck. Es folgen von Wotenick aufschließend die bespannten Trecks von Zoldekow und Schwenz. In Triebsees wird Rast gemacht und warmes Essen aus unserer Feldküche ausgegeben. Dann geht es über die mecklenburgische Grenze flott weiter in Richtung Rostock. Unterwegs überholen wir einen Treck aus Alt-Storkow und treffen dort liebe Bekannte aus Pommern. Auf dem Gute Wendenhof bei Sanitz finden wir Nachtquartier mit dem Motortreck. Durch den Rundfunk hören wir von einem furchtbaren Angriff der Amerikaner auf das mit Flüchtlingen und Trecks überfüllte Swinemünde. Zum ersten Male fällt im Wehrmachtsbericht das Wort vom Brückenkopf Dievenow. Das heißt also, dass unsere bisherige pommersche Heimat in der Hand der Russen ist. – Wird die Oderfront halten?

Mein Vertrauen in einen erfolgreichen Widerstand unseres Ostheeres ist geschwächt, nachdem ich so viele Zeichen des Zusammenbruchs gesehen habe. Und im Westen dringt eine starke englische und amerikanische Armee über den Rhein unaufhaltsam ins Herz Deutschlands vor.

Sonnabend früh um 7 Uhr ist Abmarsch. Wir fahren auf guter Straße über Sanitz nach Rostock. Hier werden wir durch einen Polizeiposten angehalten und in eine Nebenstraße geleitet. Es sollen uns auf Befehl der Kreisleitung unsere drei Trecker und sieben Gummiwagen abgenommen werden, da man diese angeblich zu Befestigungsarbeiten der Festung Rostock gebraucht. Ich fahre selbst mit dem Polizeioberleutnant zur Kreisleitung und mache den zuständigen Leuten dort klar, dass man unmöglich 145 Menschen, darunter 50 Kinder, mit ihrer letzten geretteten Habe auf die Straße setzen kann. Das hat Stunden gedauert. Unsere Absicht, heute noch bis Kirchstück zu kommen, muss aufgegeben werden. Wir fahren in den sinkenden Abend bis Wismar, wo wir bei völliger Dunkelheit ankommen und nach vieler Mühe eine Unterkunft finden im bereits überfüllten Kindergarten. Sonntag früh, um 9 Uhr, geht es beim Klang der Glocken aus Wismar heraus in Richtung Schwerin. Es ist ein schöner Märztag. Sattgrün leuchten die Roggenfelder, blaugrün schimmert der Raps auf den fetten Lehmböden. Überall sieht man festlich gekleidete Menschen, die dem langen Treck erstaunt nachschauen. Hier ist noch ein friedliches Land. Hoffentlich bleibt es vor dem Schicksal unserer pommerschen Heimat bewahrt.

Um 11 Uhr treffen wir in Kirchstück, der zweiten Etappenstation ein. Herr von der Meden, der mit seiner Familie hier vorläufig untergekommen ist, hat für uns Quartier gemacht. Ich kann ihm seine Tochter Bärbel wohlbehalten übergeben, er selbst muss am Nachmittag desselben Tages noch abreisen. Er hat einen Stellungsbefehl zum Ersatzbataillon in Stettin. In Kirchstück liegt deutsche Wehrmacht im Quartier. Wir müssen daher ohne Ruhetag am nächsten Tage weiterziehen. Immerhin haben wir einen halben Ruhetag. Wir werden rührend betreut und versorgt von v. d. Medens.

Montag früh Abschied von v. d. Medens, besonders von Bärbel, die fast ein Jahr Freud und Leid mit uns geteilt. Unser Marsch geht durch Schwerin, die alte schöne Stadt zwischen Buchenwäldern und Seen, in Richtung Lützow. Unterwegs überholen wir viele Treckfahrzeuge, die alle nach Schleswig-Holstein hinauf wollen. Die Pferde sind zum Teil abgetrieben. Krepierte Tiere liegen allenthalben im Straßengraben. Aber die Menschen hasten nicht mehr so wie auf unserer bisherigen Wegstrecke. Sie fühlen sich bereits in Sicherheit und lagern gemütlich in der warmen Märzsonne.

In Lützow biegen wir von der Haupttreckstraße, die über Gadebusch-Ratzeburg nach Holstein führt, nach Süden ab in Richtung Wittenburg. Wir wollen möglichst bald über die Elbe, um unser Endziel, die Gegend von Amelinghausen in der Lüneburger Heide zu erreichen. Mittagsrast machen wir in Boddin bei alten Bekannten. Voller Wehmut denken wir an die schönen Zeiten, die wir hier vor 15 Jahren erlebten. Wir machen gleichzeitig Quartier für die bespannten Fahrzeuge, die uns in zweitägigem Abstand folgen. Dann fahren wir durch Wittenburg über Lehsen nach Brahlstorf. Wir wollen versuchen, über Neuhaus die Elbfähre bei Katemin zu erreichen. In Brahlstorf erfahren wir, dass die Fähre für Trecks gesperrt sei und wir bei Lauenburg über die Elbbrücke müssen. Wir übernachten in drei Partien in Dammereez, im Hirschkrug und in Dersenow. Die letzte Nacht in Ostelbien ist warm und regnerisch. Die Meldungen, die wir abends im Hirschkrug hören, sind beunruhigend. Der Zusammenbruch der Westfront scheint unaufhaltsam zu sein. Im Osten steht die Ostfront in schweren Abwehrkämpfen gegen die russischen Großangriffe. Es wird gemunkelt von Verhandlungen mit den Westmächten.

Dienstag, der 20. März. Wir brechen um 8 Uhr auf, sammeln uns in Dersenow und sind kurz vor Mittag nach guter Fahrt auf der großen Berlin-Hamburg-Straße am Elbe-Trave-Kanal bei Lauenburg. Vor uns marschieren in endloser Kolonne polnische Kriegsgefangene nach Westen. Wir müssen warten, bis wir im Anschluss daran die große Elbbrücke passieren können. Die Sonne scheint schon warm, der breite Elbstrom leuchtet graublau. Jenseits der Elbe kann man die ersten Gehöfte und Kirchtürme des Hannoverlandes erkennen. Wir überschreiten zum zweiten Male in 14 Tagen einen großen Strom nach Westen, die zweite Klimagrenze und die zweite Kulturgrenze. Die Höfe und Dörfer um Boizenburg und Lauenburg haben bereits niedersächsischen Charakter. Die sauberen Klinker- und Fachwerkbauten mit ihren Vorgärten und Schriftbalken über den Dielentüren erwecken in mir als gebürtigem Westdeutschen heimatliche Gefühle. Aus diesem alten bäuerlichen Kern- und Stammland sind dereinst vor 600 Jahren die Vorfahren aufgebrochen zur Wiederbesiedlung des von den germanischen Stämmen in der Völkerwanderungszeit geräumten Stammlandes zwischen Elbe und Weichsel. Vor uns blitzt die Elbe auf in der fahlen Märzsonne. Die Kolonne staut sich wieder vor der großen Brücke bei Lauenburg. Hinter Buchenwäldern liegt Friedrichsruh. Dort ruht der letzte große deutsche Staatsmann, Otto von Bismarck. Hat der „Alte im Sachsenwald“ geahnt, dass die Politik seiner Nachfolger Gefahren heraufbeschwört für das vor 600 Jahren begonnene, aber noch nicht vollendete Werk der Grenzsicherung im Osten? Wir müssen über die Elbe. Ich kann unsern Leuten nicht sagen, dass ich durch Abhören des Moskauer Senders Kenntnis habe von den Abmachungen von Jalta, in denen den Russen das Land bis an die Elbe als Besatzungszone zugeteilt wurde. Hier wird mir klar, dass der „große Führer“ durch seinen Angriffskrieg gegen Russland eine Wahnsinnstat vollbrachte, die in ihrer Auswirkung für Millionen deutscher Menschen die Vertreibung aus der angestammten Heimat bedeutet. Bismarck und Hitler, zwei Männer und zwei Welten! Ein großer Staatsmann und ein Dilettant!

Die Kolonnen kommen wieder in Bewegung. Wir müssen uns beeilen, dass der Anschluss nicht abreißt. Mit letzter Anstrengung, mit zerfetzten Gummireifen und dem Rest Treibstoff passieren wir die Brücke. Jetzt sind wir drüben, in „Sicherheit“, dem Grauen entronnen, das sich in dem Land zwischen Elbe und Oder ausbreitet. In der warmen Märzsonne wird gerastet und wieder einmal abgekocht. Jetzt kann ich meinen kleinen Opelwagen, der seit Misdroy an den Treckwagen angehängt wurde, mit dem letzten Sprit flott machen. Wir wollen nach Amelinghausen und dort Quartier machen für die 400 pommerschen Menschen, die sich mir anvertraut haben. Es wird nicht leicht sein, in der mit Vertriebenen überschwemmten Lüneburger Heide ein Unterkommen zu finden. Es kann nur gelingen mit Hilfe von Freunden, die uns erwarten und dabei helfen wollen.

Wir fahren durch die wenig beschädigte alte Stadt Lüneburg und dann durch gepflegte Dörfer, an schönen alten Höfen vorbei nach Amelinghausen und Ehlbeck. Ein vorläufiges Ende unserer abenteuerlichen Flucht ist sichtbar. In wenigen Tagen werden die bespannten Trecks zu uns stoßen, die Zoldekower unter der bewährten Führung unseres Statthalters Franz Potratz, die Schwenzer mit Hans Treichel an der Spitze. Es ist der 22. März 1945. Die Sorge und Arbeit um die Unterbringung von 400 Menschen und 56 Pferden, um die Erhaltung der wenigen geretteten Habe beginnt am gleichen Tage.

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Lew Kopelew, russischer Germanist jüdischer Abstammung, Anfang 1945 deutschsprachiger Major in einer Propagandaeinheit der Armee des Marschalls Rokossowskij, damals noch übereugter Marxist-Leninist, schreibt in seinem 1976 bei Hoffmann und Campe verlegten und sehr lesenswerten Buch - ISBN 3-455-03920-0 - "Aufbewahren für alle Zeit!" (S.17):

"War eine derartige Verrohung unserer Leute wirklich nötig und unvermeidlich - Vergewaltigung und Raub, musste das sein? Warum müssen Polen und wir uns Ostpreußen, Pommern und Schlesien nehmen? Lenin hatte seinerzeit schon den Versailler Vertrag abgelehnt, aber dies war schlimmer als Versailles. In den Zeitungen, im Radio riefen wir auf zur heiligen Rache. Aber was für Rächer waren das, und an wem haben sie sich gerächt? Warum entpuppten sich so viele unserer Soldaten als gemeinde Banditen, die rudelweise Frauen und Mädchen vergewaltigten - am Straßenrand im Schnee, in Hauseingängen; die Unbewaffnete totschlugen, alles, was sie nicht mitschleppen konnten, kaputtmachten, verhunzten, verbrannten?... Sinnlos - aus purer Zerstörungswut... Wie ist das nur alles möglich geworden? - Haben nicht wir sie erzogen, wir die Politarbeiter, die Journalisten, die Schriftsteller - Ehrenburg und Simonow und Hunderttausende anderer strebsamer, ehrgeiziger, aber auch begabter Agitatoren, Lehrer, Erzieher, aufrichtige Prediger der "heiligen Rache"? Wir lehrten sie hassen, überzeugten sie, dass der Deutsche schon deshalb schlecht ist, weil er Deutscher ist; wir verherrlichten den Mord in Gedichten, Prosa und Malerei. "Papa, erschlag den Deutschen!" Es gab eine Zeit, in der ich mich fast schämte, kein "persönliches Konto" erschlagener Deutscher zu haben..."


 

Diese Internetseite wurde vom früheren langjährigen Geschäftsführer und Heimleiter des Seemannsheimes erstellt, der hier sein Rentner-Hobby vorstellt:

Band 15

Zeitlebens im Gedächtnis 

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Deutsche Schicksale um 1945

Wir zahlten für Hitlers Hybris



 

 

Erinnerungen an das Kriegsende 1945 - 60 Jahre danach - mit

 

 Zeitzeugenberichten aus 1945 über Bombenkrieg, Flucht, Vertreibung, Zwangsarbeit und Gefangenschaft.

 


 

Schiffsbilder

 


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last update - Letzte Änderung 1.05.2017

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